Medikamente am Berg — Gauklerei oder Notwendigkeit?
Die meisten Gesundheitsstörungen während einer Trekkingtour oder einer Expedition heilen von selbst, trotz oder unabhängig von der angewandten Heilmethode. Dies auch deshalb, weil Expeditionsbergsteiger, und im allgemeinen auch Trekker, an sich gesunde, durchtrainierte Menschen sind.
Die Mitnahme eines ausgewählten Medikamentensortiments ist dennoch sinnvoll: Aufgrund der Infektionsmöglichkeiten in tropischen Ländern, des Einflusses von Höhe und Klima und letztlich wegen der Verletzungsgefahren. Es ist sinnvoll, Medikamente zu wählen, die geschluckt werden können, und mit denen man vertraut ist. Pro Stoffklasse sollte man sich weiterhin auf jeweils ein Arzneimittel beschränken. Da die Handelsnamen der einzelnen Medikamente von Land zu Land verschieden sein können, nenne ich im Folgenden nur die Namen der Stoffklassen.
Infektionskrankheiten
Fur Reisen in Malarialander ist eine entsprechende Prophylaxe selbstverständlich. Durchfallerkrankungen sind sehr häufig und meistens unspezifischer Natur, bedingt durch ungewohnte Ernährung und Änderung im bakteriellen Milieu des Darmes. Dementsprechend hören diese Durchfälle meist von selbst auf. Wegen des großen Wasser- und Salzverlustes ist aber doch gelegentlich eine symptomatische Behandlung mit z. B. Loperamid angezeigt. Die wichtigste Maßnahme ist der Ersatz der verlorenen Körperflüssigkeit durch Getränke. Lassen sich bei Betrachtung des Stuhls Würmer feststellen, so ist eine Wurmkur sinnvoll. Ebenso kann eine medikamentöse Behandlung bei Verdacht auf Amöbenbefall versuchsweise indiziert sein. Selten sind die Durchfälle mit Fieber verbunden, dies ist ein Hinweis für eine Infektion mit Bakterien. Dann ist ein Therapieversuch mit einem Antibiotikum angezeigt. Eine Blasenentzündung kann versuchsweise ebenfalls mit einer kurzfristigen Antibiotika-Therapie ange-gegangen werden.
Höhe und Klimaeinflüsse
Die Erscheinungen der akuten Bergkrankheit sollen nach Möglichkeit durch »vernünftigen« Aufstieg(siehe ALPIN 5/8 I ) vermieden werden. Eine medikamentöse Behandlung ist nur bei leichten Störungen, wie Kopfweh und Schlaflosigkeit, erlaubt. Kopfschmerzen können mit Aspirin oder einem Kombinationspräparat behandelt werden; reagieren die Kopfschmerzen auf diese Therapie nicht, so ist abzusteigen. Schlaflosigkeit wegen Höhenexposition kann man mit Diazepam oder Flunitrazepam behandeln. Die Therapie des Höhenlungenödems ist der sofortige Abstieg oder Abtransport, lediglich als Überbrückungsmaßnahme können Nitroglycerin-Kaukapseln oder bei starken Beschwerden, Morphium gegeben werden. In Übereinstimmung mit anderen Expeditionsärzten und nach eigenen bitteren Erfahrungen halte ich in diesen Fällen die Gabe von entwässernden Mitteln, wie z. B. Lasix, für falsch. Beim Hirnödem der Höhe ist die Therapie ebenfalls der Abstieg, als zusätzliche Maßnahme kann Decadron gespritzt werden.
Die Höhenluft und die verstärkte Atmung verursachen eine Austrocknung von Schleimhäuten mit Halsweh und Halsentzündungen, Husten und Bronchitis, sowie bei zusätzlicher Infektion, eitrige Bronchitis und Lungenentzündung. Dieses Halsweh ist für viele Höhenbergsteiger fast obligat und wird mit allerlei Lutschtabletten mehr oder weniger erfolgreich angegangen. Gegen den Höhenhusten gibt man während des Tages Hustenbonbons, bei störendem, quälendem Husten in der Nacht Codein oder einen codeinhaltigen Hustensaft. Wird die Bronchitis durch eitrigen Auswurf kompliziert, stellt sich Fieber ein und finden sich schließlich die Zeichen einer Lungenentzündung, so ist neben dem Abstieg die Verabreichung eines Antibiotikums angezeigt.
Der erhöhte Druck im Bauchraum durch die verstärkte Atmung und durch das Schleppen schwerer Lasten führt bei entsprechend disponierten Bergsteigern zum Auftreten von Hämorrhoidalbeschwerden mit sehr schmerzhaften Zuständen. Abhilfe schaffen Hämorrhoidal-Zäpfchen, Hämorrhoidal-Salbe und entsprechende Bäder. Ein dünner Stuhl, der durch Zufuhr von reichlich Flüssigkeit und evtl. durch die Beigabe eines milden Abfuhrmittels bewirkt wird, schafft ebenfalls Erleichterung.
Bergsteiger mit Schneeblindheit leiden oft unter sehr starken Schmerzen und sind durch die Schneeblindheit vielleicht sogar unfähig zum Abstieg. Erste Hilfe in diesem Fall: Sofort lokal betäubende Tropfen ins Auge träufeln und den Bergsteiger so rasch wie möglich in ein dunkles Zelt in tieferen Höhenlagen bringen. Die Augen dürfen dann nur mit einer antibiotischen Salbe, nicht aber mit einer Steroidsalbe behandelt werden.
Verletzungen und chirurgische Probleme
Für Erfrierungen gibt es keine wirkungsvoll anerkannte Therapie. Auch die intraarterielle Infusion von gefäßerweiternden Mitteln scheint nach größeren Studien wenig erfolgversprechend. Also sind erfrorene Extremitäten so weit wie möglich zu schonen, vor jeglicher Verletzung zu schützen und nach anfänglichem, raschen Auftauen weich zu verbinden.
Ein Sorti mentvon Pflastern, Verbandstoffen und elastischen Binden hilft, die kleinen Probleme mit Blasen, Verrenkungen und schmerzenden Gliedmaßen zu meistern. Stärkere Gelenks- und Muskelschmerzen dürfen kurzfristig mit einem antirheumatischen Medikament wie z. B. Aspirin, Indomethacin oder Flurbiprofen behandelt werden. Die Mitnahme eines Nähzeugs für offene Verletzungen ist sinnvoll. Immer wieder wird die Frage der Blinddarmentzündung aufgeworfen, die Häufigkeit von Blinddarmentzündungen bei Trekkingtouren und Expeditionen ist sehr gering, allenfalls kann diese Erkrankung mit einem Antibiotikum erfolgreich behandelt werden. Bei Expeditionen sollen zur Behandlung von Knochenbrüchen aufblasbare Kammerschienen mitgenommen werden. Infusionsbeutel sind
gelegentlich nützlich, meistens sind sie aber am Ort der Not nicht vorhanden. Die Mitnahme von Intubationsbesteck und Beatmungsbeutel halte ich für sinnlos. Bei Lawinenunfällen ist das Gerät beim Verschütteten praktisch nie rechtzeitig zur Stelle, zudem reicht bei erfolgreicher Bergung wahr- scheinlich eine Mund-zu-Mund- Beatmung aus.
Vorschlag einer Medikamentenliste
Antacidum gegen Magenübersäuerung: Magenpulver, Alucol Gel.
Antibiotikum gegen bakterielle Infekte (Cotrimoxazol oder Aminopenicillin): für Blasenentzündung, eitrige Bronchitis, Lungenentzündung, Durchfall mit Fieber, Blinddarmentzündung oder andere bakterielle Entzündungen.
Schneeblindheit: Augentropfen (Novesin, antibiotische Augensalbe).
Durchfallmittel: Banaler Durchfall: Loperamid
Wurmverdacht: Mebendazol oder Pyrontelpamoat
Amöbenverdacht: Ornidazol oder Metronidazol
Durchfall und Fieber: Cotrimoxazol
Halsschmerzlutschtabletten (Mebucain, Lemocin).
Hämorrhoiden: Salbe und Zäpfchen.
Hautverletzungen: Desinfiziens, Salbe.
Hustenmittel: Hustenbonbons, Codein.
Malaria-Prophylaxe: Fansidar oder nach spezieller Verordnung.
Schlafmittel: Diazepam, Flunitrazepam.
Schmerzmittel: banal-Aspirin,
Kopfschmerzen: Aspirin, Aspirin mit Codein, Tonopan;
Gelenks- oder Muskelschmerzen: Aspirin, Indomethacin oder Fluribiprofen;
schwere Schmerzzustände bei Verletzungen-Pentazocin, Buprenorphin, Morphium.
Verband und Verletzungsmaterial: Schnellverbände, Leukoplast, Hansaplast, Tupfer, elastische Binden, Nadel, Faden, Nadelhalter, Schere, Pinzette, Kammerschiene, Infusionen. Eventuell Vitamin-Brausetabletten, Nitroglycerin, Decadron.
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